Kanaren: Marodes Gesundheitssystem

GesundheitssystemUnser Rettungshubschrauber auf La Palma

Auf den Kanaren krank werden – besser nicht.

Seit 1986 ist man dabei ein funk­tio­nie­ren­des Gesund­heits­sys­tem in Spa­ni­en zu instal­lie­ren. Bis heu­te hat man es jedoch noch nicht geschafft, eine effek­ti­ve und leis­tungs­fä­hi­ge Krank­heits­ver­sor­gung für die Bevöl­ke­rung auf die Bei­ne zu stel­len. In die­sem Punkt ist Spa­ni­en und ins­be­son­de­re die Kana­ri­schen Inseln, wie El Hier­ro, La Gome­ra oder La Pal­ma, noch weit vom euro­päi­schen (deut­schen) Stan­dard entfernt.

Gesundheitssystem

Unser Ret­tungs­hub­schrau­ber auf La Palma

„Sozi­al­ver­si­che­rungs­pflich­tig sind alle Arbeit­neh­mer und auch alle Selb­stän­di­gen. Die gesam­te Fami­lie ist auto­ma­tisch mit­ver­si­chert. Aus­nah­men oder Wahl­mög­lich­kei­ten von der Sozi­al­ver­si­che­rungs­pflicht z.B. wegen Über­schrei­ten irgend­ei­ner Ein­kom­mens­gren­ze, gibt es hier nicht.
Anders als in Deutsch­land gibt es in Spa­ni­en nicht Dut­zen­de halb­staat­li­cher Kran­ken­kas­sen die ihre Mit­glie­der ver­wal­ten und kos­ten­in­ten­si­ve Per­so­nal­ver­wal­tun­gen unter­hal­ten. Die Fra­ge nach der güns­tigs­ten oder teu­ers­ten Kran­ken­kas­se erüb­rigt sich daher.
GesundheitswesenEs gibt nur die staat­li­che „Segu­ri­dad Social“. Von die­ser Stel­le oder Kas­se wer­den alle Sozi­al­leis­tun­gen auch Ren­te und Arbeits­lo­sen­geld gezahlt. Der Segu­ri­dad Social unter­stell­te Behör­den sind dann für den jewei­li­gen ein­zel­nen Fach­be­reich zuständig.
Das spa­ni­sche Gesund­heits­sys­tem ist gut, aber nicht so effi­zi­ent wie aus Deutsch­land gewohnt. Alle Kli­ni­ken und Kran­ken­häu­ser sind mit den moderns­ten Appa­ra­tu­ren aus­ge­stat­tet. Nur fehlt oft das geeig­ne­te Fachpersonal.

Extrem ist der Fach­per­so­nal­man­gel auf den Kana­ri­schen Inseln zu spü­ren. Da stand seit über zwei Jah­ren ein noch ori­gi­nal ver­pack­ter Kern­spin­to­mo­gra­phie – das Gerät in das man hin­ein gescho­ben und durch­leuch­tet wird – im Insel­kran­ken­haus her­um, unbe­nutzt – nur weil die ent­spre­chen­de Fach­kraft fehlte.

Das Lohn­ge­fü­ge auf den Kana­ren liegt eini­ges unter dem spa­ni­schen Durch­schnitt. Aus­ge­bil­de­tes Per­so­nal und auch Ärz­te aus Fest­land Spa­ni­en sind finan­zi­ell dadurch nicht auf die Kana­ren zu locken. Meist trifft man Ärz­te aus Kuba oder Bra­si­li­en in den Kli­ni­ken an. Nicht, dass deren Aus­bil­dung schlech­ter wäre als bei ver­gleich­ba­ren spa­ni­schen Ärz­ten, aber die Kana­ren gel­ten für sie als spä­te­res Sprung­brett auf das Fest­land. Sie blei­ben also nur eine gewis­se Zeit auf den Inseln.
Freie Arzt­wahl – ist hier auch ein Fremd­wort. Im Krank­heits­fal­le muss ein „Cen­tro de Salud“, ein klei­nes Ärz­te­zen­trum auf­ge­sucht wer­den. Hier gibt es All­ge­mein­ärz­te, einen Kin­der­arzt und viel­leicht auch einen Zahn­arzt. Die­se Zen­tren sind in allen grö­ße­ren Orten vor­han­den. Mit einer „Tar­jeta Sani­ta­ria“ einer Art Gesund­heits­kar­te wei­sen sie sich aus.
Auf einem Zen­tral­com­pu­ter sind alle ihre Daten, wie die bis­he­ri­gen Krank­heits­ge­schich­ten, ver­ord­ne­te Medi­ka­men­te, ein­fach alles abge­spei­chert. Jedes Cen­tro Salud oder Hos­pi­tal hat dar­auf Zugriff – ob auf den Kana­ren oder in Nordspanien.

Dann ist Geduld ange­sagt. Lan­ge War­te­zei­ten in der Schlan­ge der Pati­en­ten sind die Regel. Nur Kin­der wer­den sofort vor­ge­zo­gen. Die Lie­be zu Kin­dern ist also auch in einer staat­li­chen Insti­tu­ti­on normal.

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Hos­pi­tal Gene­ral de La Palma

Kom­men sie dann doch end­lich dran, so wer­den sie kor­rekt behan­delt und bera­ten. Fach­spe­zi­fi­sche Auf­ga­ben und dazu zählt bereits das Rönt­gen oder Frau­en­krank­hei­ten, kön­nen hier in der Regel nicht durch­ge­führt wer­den. Sie erhal­ten eine Über­wei­sung in das nächs­te Hos­pi­tal. Wenn sie Glück haben mit einem Ter­min bereits in 14 Tagen. Ich ken­ne Fäl­le für eine Wir­bel­säu­len­un­ter­su­chung mit neun Mona­ten War­te­zeit. So man­che Unter­su­chung hat sich dann bereits erle­digt, da der Pati­ent in der Zwi­schen­zeit vom zeit­li­chen geseg­net wur­de. Auch eine Art von Ein­spa­run­gen im Gesundheitswesen.

Kos­ten oder Pra­xis­ge­büh­ren fal­len im Cen­tro Salud oder auch im Hos­pi­tal nicht an. Zahn­be­hand­lun­gen, außer dem Zie­hen eines Zah­nes, sind kos­ten­pflich­tig. Nor­mal sucht man einen pri­va­ten Zahn­arzt auf, der dann jedoch Cash bezahlt wer­den will. Aller­dings sind die Hono­ra­re eines Zahn­arz­tes hier noch bezahlbar.

Mit dem aus­ge­stell­ten Rezept und der Tar­jeta holt man in der „Farm­acia“, der Apo­the­ke, die ver­ord­ne­ten Medi­ka­men­te ab. Der Pati­ent zahlt ca. 40% des Arz­nei­mit­tel­preis selbst. Vie­le Arz­nei­mit­tel, die in Deutsch­land rezept­pflich­tig sind, kön­nen hier auch so ein­ge­kauft wer­den. Bis vor eini­gen Jah­ren konn­te sogar Anti­bio­ti­kum ohne Rezept erwor­ben wer­den. Wegen des zuneh­men­den Miss­brauchs aller­dings inzwi­schen nur noch auf ärzt­li­che Ver­ord­nung. Vie­le phar­ma­zeu­ti­sche Pro­duk­te sind wesent­lich güns­ti­ger als in Deutschland.
Im Not­fall wird man auch direkt im Hos­pi­tal zu jeder Zeit schnell und fach­ge­recht behan­delt. Mit der „Ser­vicio de urgen­ci­as“ habe ich nur gute Erfah­run­gen gesam­melt. Auch der sta­tio­nä­re Kran­ken­haus­auf­ent­halt wird von allen die ihn in Anspruch neh­men muss­ten, posi­tiv beurteilt.

Gesundheitswesen

SUC Hub­schrau­ber für den Arzt- und Krankentransport

Gut ist auch das „Ers­te Hil­fe Ret­tungs­sys­tem“ der Kana­ren zu beurteilen.

Ob Ret­tungs­wa­gen oder Hub­schrau­ber, inner­halb kur­zer Zeit ist ein Team vor Ort. Ob sich ein Tou­rist auf dem 2426 m hohen Roque de los Mucha­chos ein Bein gebro­chen hat oder bewusst­los am Strand im Sand liegt, die­ses Sys­tem funk­tio­niert pri­ma. Auch der evtl. Wei­ter­trans­port oder das Ein­flie­gen eines Fach­arz­tes aus Tene­rif­fa ist viel­fach erprobt.
Für kom­pli­zier­te Ope­ra­tio­nen sind auf La Pal­ma kei­ne fach­li­chen und mate­ri­el­len Kapa­zi­tä­ten ver­füg­bar. Hier muss dann die Uni­kli­nik auf der Nach­bar­insel Tene­rif­fa auf­ge­sucht wer­den. Lan­ge War­te­zei­ten auf den Ope­ra­ti­ons­ter­min müs­sen in Kauf genom­men werden.

Vie­le Kli­nik­ärz­te ver­die­nen sich am Abend ein Zubrot in der eige­nen pri­va­ten Pra­xis dazu. Das wird gedul­det. Völ­lig scham­los wer­den sie in der Kli­nik ganz so neben­bei dar­auf hin­ge­wie­sen, dass ihre Behand­lung die viel­leicht erst in zwei Mona­ten ter­mi­niert ist, auch schon mor­gen erfol­gen könn­te – Pri­vat mit Rech­nung, ver­steht sich.
Sie müs­sen nur heu­te Abend den Dr. XY auf­su­chen. Er wird das schon regeln. Also auch hier eine Zwei­klas­sen Gesell­schaft. Oft fra­ge ich mich ob die Haupt­be­schäf­ti­gung so man­cher Ärz­te, meist Frau­en­ärz­te oder Spe­zia­lis­ten, in der Kli­nik mit kar­gem Lohn nicht den Neben­job und die Pri­vat­pra­xis dann am Abend das Haupt­ge­schäft darstellt.
So ist das ein­fach – Geld regiert die Welt, auch hier.

Die Kana­ren sind schön, sogar wun­der­schön, nur krank soll­ten sie hier nicht wer­den. Es wird am Gesund­heits­sys­tem wie­der ein­mal deut­lich, dass Deutsch­land trotz aller Ein­spa­run­gen  und dem gan­zen Gemur­re das bes­te Sys­tem besitzt.

Ich sehe oft, dass älte­re und kran­ke deut­sche Resi­den­ten wegen ihrer Gesund­heit bzw. Krank­heit hier ihre Zel­te nach 20-jäh­ri­gem Auf­ent­halt wie­der abbau­en und zurück nach Deutsch­land  gehen. Die­se Alter­na­ti­ve steht natür­lich jedem offen und soll­te viel­leicht bei der lang­fris­ti­gen Zukunfts­pla­nung gleich mit ein­be­dacht wer­den.“ – das war ein Aus­zug aus mei­nem BuchSoll ich Aus­wan­dern

Soweit so gut. Die Grund­ver­sor­gung im Krank­heits­fall ist also gewähr­leis­tet. Es ist ein Sys­tem wie es frü­her in sozia­lis­ti­schen Län­dern üblich war. Lan­ge War­te­zei­ten, Ärz­te­man­gel und umständ­li­che Büro­kra­tie, macht das „Krank­sein“ zumin­dest auf den Kana­ren zu einer zeit­fres­sen­den Tor­tour. Auf­ge­rüs­tet mit moderns­ter Tech­nik – nur das fach­kun­di­ge Per­so­nal steht nicht in aus­rei­chen­der Anzahl zur Verfügung.

Wer es sich leis­ten kann, sucht pri­va­te Ärz­te und Kli­ni­ken auf, die jedoch voll selbst zu bezah­len sind. Über eine pri­va­te Zusatz­ver­si­che­run­gen kön­nen die­se Kos­ten abge­deckt wer­den. Die deut­sche Gesund­heits­kar­te wird nur in den staat­li­chen Gesund­heits­zen­tren akzep­tiert. Nicht jedoch bei Pri­vat­ärz­ten. Hier muss der Euro bar auf den Tisch.

 

Warum funktioniert das Kanarische Gesundheitssystem nicht richtig?

Dafür gibt es meh­re­re Grün­de. Durch die Wirt­schafts­kri­se 2008 muss­te das Gesund­heits­sys­tem ein­ge­fro­ren und finan­zi­ell stark abge­speckt wer­den. Der ein­ge­schla­ge­ne Weg zum euro­päi­schen Stan­dard­sys­tem lies sich nicht mehr wei­ter ver­fol­gen. Die Mit­tel­zu­wei­sung aus Madrid wur­de gekürzt und die Löh­ne für das Per­so­nal im Gesund­heits­we­sen stark her­ab gesetzt. Auch gibt es nur noch befris­te­te Arbeits­ver­trä­ge mit 6 oder weni­ger Mona­ten Laufzeit.

Ver­dient ein staat­li­cher Arzt in Fest­land­spa­ni­en heu­te um die 2500.- Euro net­to, so kommt er auf den Kana­ren nicht ein­mal auf 2000,- Euro im Monat. Kein Anreiz für einen arbeits­lo­sen Arzt aus Bil­bao auf die Kana­ren zu gehen.

Nach den Daten des Gesund­heits­mi­nis­te­ri­ums und des Natio­na­len Sta­tis­tik­in­sti­tuts (INE) schnitt das kana­ri­sche Gesund­heits­we­sen beson­ders schlecht ab und bekam unter allen spa­ni­schen Regio­nen die schlech­tes­ten Noten.

In den Berei­chen Pro-Kopf-Etat, Umfang des medi­zi­ni­schen Fach­per­so­nals, War­te­zei­ten für Sprech­stun­den, medi­zi­ni­sche Tests, ope­ra­ti­ve Ein­grif­fe oder Ster­be­ra­te bei bestimm­ten Krank­hei­ten lie­gen die Kana­ren weit abge­schla­gen auf dem letz­ten Platz. Die Todes­ra­te auf den Kana­ren liegt rela­tiv hoch. Vor allem bei Schlag­an­fäl­len, Lun­gen­ent­zün­dun­gen, koro­na­ren Herz­krank­hei­ten und der chro­nisch obstruk­ti­ven Lungenerkrankung.

Vie­le EU Sub­ven­tio­nen sind auch in das kana­ri­sche Gesund­heits­sys­tem geflos­sen. Aber ohne EU Kon­trol­le und fähi­ge Bera­ter wur­den die Mit­tel für Hoch­tech­no­lo­gie und für die Kana­ren nicht immer beherrsch­ba­re Tech­nik aus­ge­ge­ben. Es fehlt das gut aus­ge­bil­de­te und ent­spre­chend hono­rier­te Fach­per­so­nal. Der Mensch bleibt ein­fach die Schalt­zen­tra­le.

Für kost­spie­li­ge regio­na­le Fern­seh­sen­der oder eine eige­ne Kana­ri­sche Poli­zei ohne Auf­ga­ben hat man Geld – für die Gesund­heit sei­ner Bür­ger aber nicht. Das ist kana­ri­sche Rea­li­tät und medi­zi­ni­scher All­tag auf den Inseln.

 

Hier noch ein Face­book Ein­trag zum Thema

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