Ein Manöver mit politischer Brisanz
Kampfjets: Der sonst friedlich blaue Himmel über den Kanaren klingt in diesen Tagen anders. Ein tiefes Donnern, das über den Atlantik rollt, zeugt davon, dass über dem Archipel gerade eines der größten Luftmanöver Europas stattfindet. Rund fünfzig Militärmaschinen aus Deutschland, Griechenland, Portugal, den USA und Spanien trainieren den Ernstfall – den Luftkampf gegen russische Jagdflugzeuge des Typs Sukhoi SU-30MKI , die von Indien zu Übungszwecken bereitgestellt wurden.
Übung oder Spiegel der Wirklichkeit?
Offiziell handelt es sich um ein routinemäßiges NATO-Manöver der spanischen Luftwaffe, doch der Zeitpunkt ist alles andere als zufällig. Angesichts der angespannten geopolitischen Lage wird die Übung zu einem hochsymbolischen Signal: Europa und seine Partner demonstrieren, dass sie auch am Rande des westlichen Luftraums – über dem Atlantik zwischen Afrika und Europa – Verteidigungsfähigkeit zeigen können.
Das geübte Szenario: Feindliche Maschinen dringen im westeuropäischen Luftraum ein, Abfangformationen reagieren in wenigen Minuten, koordinierte Begleit- und Schutzflüge werden eingeleitet. Solche Simulationen bilden realistische Konfliktszenarien ab, wie sie Experten inzwischen für nicht mehr völlig undenkbar halten.
Die Kanaren – strategischer Schlüsselpunkt
Die Kanarischen Inseln mit ihrer Basis Gando Air Base auf Gran Canaria gelten unter Militärstrategien als eines der wichtigsten Drehkreuze für Luftoperationen im Atlantik. Der Luftraum hier ist optimal: über 110.000 Quadratkilometer offenes Seegebiet, kaum ziviler Verkehr, keine Lärmbeschränkungen – ideale Bedingungen für Überschallflüge und komplexe Einsatzformationen.
Spanien nutzt diese Zone regelmäßig für internationale Zusammenarbeit in der Luftverteidigung. Dass diesmal Maschinen vom Typ SU-30MKI dabei sind, erhöht die politische Schlagkraft des Manövers: Indische Flugzeuge repräsentieren eine „fremde“ Macht, die in realen Konfliktlagen auf der Seite Russlands stehen könnte.
An den diesjährigen Ocean Sky-Übungen nehmen Kampfjets der Typen F‑18M, Eurofighter, F‑16 C/D B50, F‑16 Fighting Falcon M und F‑15E sowie die Su-30MKI aus Indien teil. Sie alle werden von MRTT‑, KC-767‑, KC-30M‑, A‑332- und A400M-Tankflugzeugen im Flug unterstützt und bilden eine multinationale Streitmacht mit mehr als 50 Flugzeugen, deren Ziel die Stärkung der Interoperabilität und Zusammenarbeit zwischen den Verbündeten ist. Dies sei die größte Luftkampfübung des Jahres, fasste die Luftwaffe am Montag in einer Erklärung zusammen.
Symbolik in einer fragilen Weltlage
Das Timing dieses Manövers fällt in eine Phase wachsender Unsicherheit: Russland droht offen mit Gegenmaßnahmen gegen die „Militarisierung des Westens“, parallel warnt das deutsche Bundesamt für Bevölkerungsschutz, ein größerer Krieg sei heute „nicht mehr undenkbar“. Vor diesem Hintergrund wirkt das Donnern der Triebwerke über Gran Canaria, Teneriffa und La Palma nicht nur wie Training – es wird zum Sinnbild dafür, dass die Weltordnung ins Wanken geraten ist.
Atlantische Verteidigung – Spannung mit Aussicht
Ziel ist laut den beteiligten NATO-Staaten, die Einsatzbereitschaft und Kooperation über verschiedene Waffensysteme hinweg zu testen und die Reaktionszeit auf Bedrohungen zu verkürzen. Doch in einer Zeit, in der Propaganda, Weltraumüberwachung und Cyberangriffe das Kriegsbild prägen, bekommt eine solche Übung auch eine Botschaft: Abschreckung wirkt nur, wenn sie sichtbar ist.
Wer in diesen Tagen auf den Kanaren den Kopf hebt, sieht auch nicht nur militärische Präzision – sondern eine Mahnung: Der Frieden, den Europa Jahrzehnte lang kannte, fliegt hier als Echo durch den Himmel.
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