La Palma zwischen Hoffnung und politischer Ernüchterung -
Auf La Palma reißen die politischen Debatten um den Wiederaufbau und die Vulkankosten nach dem Tajogaite‑Ausbruch nicht ab. Eigentlich hätte das neue Dekret der Kanarischen Regierung, das 100 Millionen Euro aus dem Haushaltsüberschuss für Entschädigungen freigibt, ein Moment der Erleichterung sein können. Stattdessen spricht die Inselspitze der Coalición Canaria (CC) von „tiefer Enttäuschung“ – und davon, dass Madrid La Palma längst den Rücken gekehrt habe.
„Die spanische Regierung hat ihre Koffer gepackt“
Auf einer Pressekonferenz machten die Inselsekretärin der CC, Nieves Lady Barreto, und der Organisationssekretär Sergio Rodríguez ihrem Frust Luft. In ihren Augen zeigt das Dekret vor allem eines: dass die spanische Zentralregierung keine echte Priorität mehr in der Erholung La Palmas sieht. Besonders schmerzhaft sei, dass ausgerechnet jene Menschen, die Haus, Hof und Existenz im Lavafeld verloren haben, weiter hingehalten werden.
Barreto erinnert daran, dass es acht Monate gedauert hat, bis Madrid überhaupt erlaubte, kanarische Überschussmittel für Entschädigungen der Vulkankosten einzusetzen. Gleichzeitig konnte die zeitlich befristete Einkommensteuererleichterung von 60 Prozent (IRPF) nicht, wie erhofft, bis 2026 verlängert werden – ein weiterer Schlag für Familien, die jeden Euro drei Mal umdrehen müssen.
100 Millionen – viel Geld, wenig Zeit
Formal klingen 100 Millionen Euro wie ein großer Wurf. Doch Barreto und Rodríguez sprechen von „Vernachlässigung“ und „Hohn“, weil es sich dabei nicht um frisches Geld aus Madrid handelt, sondern um Mittel, die aus dem eigenen Überschuss der Kanarischen Gemeinschaft stammen. Zwei Jahre lang habe man für die Auszahlung jener 100 Millionen gekämpft, die im nie verabschiedeten Staatshaushalt 2024 vorgesehen waren – und zusätzlich für weitere 100 Millionen, die im noch gültigen Etat 2025 eingeplant sind.
Jetzt kommt die Freigabe spät: Acht Monate habe es gedauert, vier Artikel in ein Dekret zu gießen, so Rodríguez. Übrig bleibt ein extrem enger Zeitraum, um die 100 Millionen für Vulkankosten tatsächlich zuzuweisen. Es sei „offensichtlich kompliziert“, in einem Monat Beträge dieser Größenordnung rechtssicher auszuzahlen – auch wenn das Team des stellvertretenden Ministeriums inzwischen im Dauerbetrieb arbeite und bereits Akten über mehr als 40 Millionen vorbereitet hat.
Wettlauf gegen den Kalender
Die Devise auf der Insel lautet deshalb: handeln, bevor der Kalender gnadenlos wird. Alle Zahlungsanweisungen müssen bis zum 31. Dezember unterschrieben sein, damit das Geld rechtlich fest zugesagt ist. Die Verwaltung arbeitet im Schichtbetrieb, um die Fälle zu prüfen – ein bürokratischer Wettlauf, während Betroffene seit 2021 auf eine echte Perspektive warten.
Rodríguez spricht offen von einem Gefühl der Unsicherheit, das Madrid mit seiner Zögerlichkeit weiter schüre. Besonders unverständlich sei, dass die monatliche 60‑Prozent‑Unterstützung nicht verlängert wurde – für viele Haushalte eine spürbare Entlastung im Alltag. Wer seit dem 19. September 2021 in Notunterkünften, bei Verwandten oder in provisorischen Wohnungen lebt, erlebt solche Entscheidungen nicht als technische Detailfrage, sondern als Fortsetzung des Traumas mit politischen Mitteln.
Wiederaufbau als Spielball der Politik
Hinter den Zahlen steht ein tieferer Konflikt: Wer trägt Verantwortung für den Wiederaufbau – und wer zahlt die Vulkankosten? Aus Sicht der CC koppelt die spanische Regierung die Zukunft La Palmas weiterhin an Parteitaktik und Haushaltspoker. So erinnert Rodríguez daran, dass Madrid sich ursprünglich verpflichtet habe, 50 Prozent der Kosten für den Ersatz zerstörter Infrastruktur zu übernehmen. Doch von den 6,2 Millionen Euro, die für die Aktualisierung einer bestehenden Vereinbarung genehmigt wurden, sei am Cabildo noch kein Euro angekommen.
Für La Palma bedeutet das: Brücken, Straßen, Wasserleitungen und öffentliche Gebäude bleiben länger provisorisch, als technisch nötig wäre. Die Insel ringt um Planbarkeit, während Förderzusagen in der Schwebe hängen. Dass bei der Pressekonferenz neben Barreto und Rodríguez auch der stellvertretende Minister für soziale und wirtschaftliche Erholung sowie mehrere Bürgermeister anwesend waren, zeigt, wie breit der Frust verankert ist.
„Wir kämpfen weiter um Gerechtigkeit“
Trotz aller Kritik gibt sich die CC‑Spitze kämpferisch. Man werde weiter darauf drängen, dass Madrid seine Zusagen einhält – sowohl bei den Entschädigungen für private Immobilien als auch beim Infrastrukturersatz. Der Ton ist unüberhörbar: La Palma will nicht als Bittsteller auftreten, sondern als Region, die ihre Hausaufgaben gemacht hat und jetzt auf die vereinbarte Unterstützung pocht.
Für die Betroffenen bleibt vorerst nur die Hoffnung, dass die nun freigegebenen 100 Millionen für die Vulkankosten schnell und fair bei denen ankommen, die seit dem Ausbruch mit den Trümmern ihres Lebens zurechtkommen müssen. Und dass La Palma eines Tages nicht mehr als Beispiel für zähen, politisierten Wiederaufbau steht, sondern als Insel, die nach der Lava ihren Weg in eine neue Normalität gefunden hat.


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