Halbzeit für den Fass Abenteurer -
Der alte Mann und das Meer hat Grund zum Feiern. Die halbe Etappe über den weiten Atlantik ist zurückgelegt.
Der Abenteurer Jacques Savin befindet sich jetzt rund 2652 km (1648 Seemeilen) von La Palma entfernt. In seinem Fass ist er am 26. Dezember 2018 vom Hafen La Restinga auf der Nachbarinsel El Hierro gestartet.
Knapp drei Monate ist der inzwischen 72-jährige alte Mann nun bereits einsam und ohne Segel oder Antrieb auf dem Atlantik unterwegs (Bilder Savin/ Tesa).
Wie ein Korken dümpelt sein Holzfass, nur von der Meeresströmung und dem Wind getrieben um den Globus. Nicht der epische Kampf zwischen einem alten, erfahrenen Fischer und einem gigantischen Marlin, wie in Hemingways Erzählung, sondern die Karibik und der Beweis es auch als Flaschenpost zu schaffen, dürfte sein Antrieb sein.
„Mit diesem Tempo kann ich vielleicht in der zweiten Aprilhälfte oder Anfang Mai eine Insel zwischen Guadalupe und Puerto Rico erreichen, wenn der Wind hilft und in die richtige Richtung weht“, schreibt Savin.
Geplant waren ursprünglich gut drei Monate. Falsche Winde trieben sein Fass immer weiter Richtung Norden bis über Madeira.
Im Zickzack-Kurs ging es dann westlich von La Palma zurück in die gewünschte Passat Strömung, die auch schon Columbus in die „Neue Welt“ beförderte. Als „gefangener“ Passagier ist Savin den Launen der Natur ausgesetzt und kann seinen Kurs nicht selbst bestimmen.
Vorbei kreuzende Containerschiffe machen ihm das Leben schwer. Mehrere beinah Kollisionen mit den Monsterschiffen hat er bereits hinter sich. Das kleine Fass wird vom Schiffsradar nicht erfasst. Auch eine Funk- Kontaktaufnahme war nur einmal möglich.
„Dieses kurze Gespräch mit einem anderen Menschen mitten auf dem Meer hat mich begeistert“, so Savin.
„Kein Problem“, sagt der Kapitän des Riesenschiffes und ändert seinen Kurs. Ob er in Seenot sei und ihn aufnehmen soll. Erst als der Skipper überzeugt ist, dass alles seine Ordnung hat, passiert der Frachter das bemannte Holzfass im 50 Meter Abstand.
Signalraketen sind seine Lebensversicherung
„Ich schlafe mit drei Raketen unter dem Kopfkissen, die bereit sind, abgefeuert zu werden. Oft wache ich in der Nacht auf, um zu sehen, ob sich am Horizont irgendetwas befindet.“
Trotz der spannenden Begegnung mit den Frachtern ist er zuversichtlich, dass seine Expedition am Ende erfolgreich sein wird. Inzwischen hat er mit seinem Holzfass die richtige Strömung erreicht und wird nun durch die Passatwinde Richtung Karibik getrieben.
Savin nähert sich in Kürze einem größeren Schiffs-Verkehrsgebiet, das von Norden nach Süden verläuft. Um nicht wie ein verlorener und umher treibender Seecontainer betrachtet zu werden, versucht er seine Position an Reedereien und internationale Institutionen zu übermitteln. Nicht, dass er nur als UFO oder Treibgut angesehen wird.
Der alte Mann hat Zeit
Im Durchschnitt bewegt sich das Holzfass mit 2 bis 3 km/h nach Westen. Langsamer als ein Spaziergänger und im Tempo einer Flaschenpost. Aber er hat keine Eile, denn selbst wenn er wollte, könnte er nichts unternehmen, um seine Reise zu beschleunigen.
„Ich verbringe meine Zeit damit, zu lesen, zu schreiben, zu fischen, das Fass zu überprüfen und Fische im Wasser zu beobachten. Mit einem Seil gesichert, schwimme ich gelegentlich auch um das Fass“. Interessant seien seine Studien zur unterschiedlichen Meeresströmung. Hier analysiert er den Strömungsverlauf für ein ozeanografisches Institut.
Wer sich auf dieses Abenteuer einlässt, braucht Zeit, Ausdauer und etwas Mut. Auch eine genaue Planung ist überlebensnotwendig. Inspiriert von waghalsigen Experimenten an den Niagarafällen, die nicht immer gut aus gingen.
Beweisen, Lust auf Abenteuer oder um berühmt zu werden?
Im Oktober 1901 hatte die damals 63-jährige amerikanische Lehrerin Annie Edson Taylor eine verrückte Idee, reich und berühmt zu werden. Sie stürzte die 50 Meter hohen Niagarafälle in einem Weinfass hinunter. Erst der Test mit ihrer Katze … und beide haben überlebt. Nachahmer hatten da weniger Glück.
Seitdem ist das Springen in den Niagarafällen zu einer Straftat geworden, die sowohl auf amerikanischer als auch auf kanadischer Seite mit hohen Geldbußen geahndet wird.
Das Dümpeln über den Atlantik geschieht im fast rechtsfreien Raum und unterliegt höchstens internationalen Regeln. Mit großer Hilfe kann Savin in der Not dann aber auch nicht rechnen. Die Motivation als Großvater mit 72 Jahren diesen Weg noch zu gehen, ist sicher mannigfaltig. Eine letzte große Herausforderung meistern, in die Chronik eingehen oder dem Leben noch einen Sinn zu geben? Reich oder berühmt wird er sicher nicht werden.
Zur Zeit ist auf jeden Fall sein Hauptnahrungsmittel Fisch. Eine große Goldbrasse oder eine kleine Sardine geangelt. Er trocknet den Fisch in der Sonne auf dem Dach des Fasses.
Des Franzosen einziges Problem könnte das Gas werden. Mittlerweile hat er mehr als die Hälfte seiner sechs Kilo Gasflasche verbraucht. Wenn das Gas leer ist, muss er den Fisch ausschließlich roh essen. Sushi roh und nicht geräuchert, dafür mit meerfrischen und kalten Algen – Bon Appétit.
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