Aufbruch mit dem William Herschel Teleskop -
Wer nach den Sternen greifen will, merkt sehr schnell, dass seine Arme nur bis zur Deckenlampe reichen.
Nicht so auf La Palma. Als einem der wenigen auserwählten Fleckchen auf diesem Erdball, ist hier der Kosmos fast zum Greifen nah. Auch wenn der Griff nach fester Materie ins Leere geht, sind optisch die Sterne eine Spur näher.
Möglich machen das die großen und kleinen Teleskope auf dem Roque de los Muchachos. Angefangen hat alles in den 1980-er Jahren mit dem Bau des englischen William Herschel Teleskop (WHT) als erstes Teleskop auf La Palma.
Ein ehrgeiziges und damals hochfliegendes Ziel mit einem aus einem Guss gegossenem Primärspiegel von satten 4,20 Meter im Durchmesser. Die Gesamtkosten des Teleskops, einschließlich der Kuppel und der gesamten Instrumente, betrugen £ 15 Mio. (dies entspricht heute rund 44 Mio. £).
Zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme im Jahr 1987 war das WHT das drittgrößte optische Teleskop der Welt. Benannt wurde es nach Friedrich Wilhelm Herschel * 15. November 1738 in Hannover; † 25. August 1822 in Slough. Ein aus Deutschland stammender Musiker und Hobbyastronom.
Schlagartig berühmt wurde Herschel, als er im Jahre 1781 ein neues Objekt im Sonnensystem entdeckte: den Planeten Uranus. Inzwischen in England lebend, wurde er in die feine Gesellschaft der Royal Society of London aufgenommen. Im Jahre 1973 wurde nach ihm der Marskrater Herschel, der größte Krater auf dem Saturnmond Mimas und auch der 1960 entdeckte Asteroid (2000) benannt.
Zeitgleich entstanden in den 1980-er Jahren auf La Palma das 1,0 m Jacobus Kapteyn Teleskop und das 2,5 m große Isaac Newton Teleskop, das von seinem bestehenden Standort Herstmonceux Castle abgebaut und auf den Roque de los Muchachos transportiert wurde.
Trotz seines Gewichts von 16,5 Tonnen lässt sich im William Herschel Teleskop der Hauptspiegel mit 60 Pneumatikzylindern von Hand bewegen. Das gesamte optische System mit den anmontierten Instrumenten bringt es auf insgesamt 186 Tonnen. Die Kuppel und das Teleskop ruhen auf 20 Meter tiefen Fundamenten um Vibrationen und Erschütterungen durch die Windlast zu minimieren.
Heute ist das britische Wissenschafts- und Technologieministerium noch mit 65%, die Niederlande mit 25% und das Instituto de Astrofísica de Canarias mit 10% beteiligt. Die Nutzung der Teleskopzeit wird proportional zu dieser Finanzierung verteilt, obwohl Spanien im Gegenzug für die Nutzung des Observatoriums eine zusätzliche Zuteilung von 20% erhält. Fünf Prozent der Beobachtungszeit sind weiterhin Astronomen anderer Nationalitäten vorbehalten.
Griff nach den Sternen auch mit einem alten Teleskop
Nach 30 Jahren Nutzung ist das William Herschel Teleskop nur noch von bescheidener Größe.
Seit sieben Jahren steht in unmittelbarer Nachbarschaft das GRANTECAN mit seinem 10,40 Meter Spiegel. Und wenn es denn klappt, wird auf dem Roque de los Muchachos in den kommenden Jahren das 30 Meter Thirty Meter Telescope (TMT) errichtet.
Dennoch bleibt das William Herschel eines der produktivsten und erfolgreichsten wissenschaftlichen Teleskope. Bedeutende Entdeckungen, wie die ersten Hinweise auf ein supermassives Schwarzes Loch im Zentrum der Milchstraße (1995) und die erste optische Beobachtung eines Gammastrahlenausbruchs im Jahre 1997 wurden hier gemacht. Auch der verstorbene Astrophysiker Stephen Hawking hat viel Forschungsarbeit mit dem William Herschel Teleskop verbracht.
Zur Zeit wird mit der Raumfahrtbehörde NASA nach erdähnlichen Planeten gesucht. Die von dem Kepler-Weltraumteleskop übermittelte Daten werden auf dem WHT überprüft und ausgewertet. Einige Planeten in einem fernen Sternsystem, die mitten in der Lebenszone kreisen und flüssiges Wasser und eine erdähnliche Atmosphäre haben, wurden bereits gefunden. Leben auf diesen Exoplaneten wäre also durchaus möglich.
Der nächste bewohnbare oder vielleicht bereits bewohnte Planet Tau Ceti e liegt allerdings «nur» knapp zwölf Lichtjahre von der Erde entfernt (Erdmond 1,3 Lichtsekunden). In kosmischen Dimensionen ist das ein paar Hausnummern weiter, aber für den Menschen zur Zeit unerreichbar.
06.07.18 – Kleine Ergänzung: Wie mir der Astronom Paul Beck dazu mitteilte, wertet das WHT direkt selbst keine Kepler-Daten aus. Es wird aber zu follow-up Beobachtungen herangezogen. Das können entweder photometrische oder spektroskopische Messungen sein. Je nachdem welche Messgröße noch zur vollständigen Charakterisierung des Sternes oder des Exoplaneten Systems von den Astronomen benötigt wird.
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