Corona Kontrolle in mehreren Stufen -
Spanien verlängert den nationalen Notstand um weitere zwei Wochen bis zum 24. Mai 2020 – unter Kontrolle ist damit die Epidemie aber noch lange nicht.
Auf den ersten Blick nur nackte Zahlen. Hinter jeder Zahl steckt aber ein Einzelschicksal und ein Mensch.
In meinem Wohnland Spanien liegt die Zahl der neuen Todesfälle immer noch bei 179 pro Tag. Das Gesundheitsministerium gibt einen Anstieg auf insgesamt 26.478 Verstorbene heute bekannt.
Zudem sind 223.578 Infektionen verzeichnet, 604 neue Fälle in den letzten 24 Stunden. Die Zahlen liegen aber bereits deutlich unter den alten Höchstwerten.
Mit einem Stufenplan wird jetzt langsam die strickte Ausgangssperre gelockert. Verstöße werden rigoros von der Polizei geahndet. Mit dem Hund einmal am Tag über die erlaubten 150 Meter vom Haus entfernt – 1000 Euro. Die täglich 1‑stündige Spazierrunde um 20 Minuten überschritten 600 Euro oder am Strand trotz Verbot in die Sonne gelegt – eine Multa von 1000 Euro. Alles Fälle aus dem Bekanntenkreis.
Bewusste Verstöße oder die Missachtung von Polizeianweisungen enden gleich mit einer Verhaftung und einem Aufenthalt im Knast.
Verständlich dass sich jetzt viele Mitmenschen – Coronavirus hin oder her – über die Lockerung am kommenden Montag freuen. Rund 51 Prozent des spanischen Festlandes und alle Kanareninseln kommen in den Genuss. Jetzt darf wieder Auto- oder Bus gefahren und Freunde besucht werden. Alle Geschäfte mit einer Fläche von weniger als 400 Quadratmetern können eröffnen. Auch Terrassen-Lokale können mit 50 % der sonst üblichen Kapazität Gäste im Freien bewirten. Baden und Strandleben bleibt allerdings weiter verboten.
Viele neue Regelungen und noch mehr versteckte Einschränkungen und Besonderheiten. Unwissenheit schützt bekanntlich vor Strafe nicht.
Gibt es keine anderen Alternativen?
Durch den fast 100 %-igen Stillstand des Lebens und der Wirtschaft in Spanien wurde das Land um mehrere Jahre zurückgeworfen. Gerade die Kanarischen Inseln mit dem Hauptmotor Tourismus hat es schlimm erwischt. Rund 40 bis 50 Prozent der Beschäftigten auf Lanzarote oder Fuerteventura leben vom Tourismus. La Palma ist nicht so extrem getroffen. Mit dem Bananenanbau ist der Agrarsektor noch die Hauptlokomotive und der größte Arbeitgeber auf der Insel.
Fast 130.000 Beschäftigte sind auf den Kanaren derzeit zwischen-geparkt im ERTE-Programm. Die spanische Art von Kurzarbeit. Wie viel Arbeitnehmer nach Ende des Programms in die Arbeitslosigkeit abrutschen, lässt sich nur vermuten. In mehreren Stufen soll bis Ende Juni 2020 die NEUE Normalität erreicht werden. Mindestens 50 % werden keine Weiterbeschäftigung finden, so die Prognosen. Verzweiflung und Perspektivlosigkeit macht Menschen krank und kann im Laufe der Zeit bis zum Tod führen.
Gelobt wird in den Medien als Alternative das Beispiel Schweden. Ohne staatliche Kontrolle und große Reglementierung mit offenen Augen einfach in der Corona-Epidemie mitschwimmen. Keine Grenzen, Firmen, Schulen oder Hotels geschlossen.
Vielversprechendes Erfolgsmodell Schweden?
Auf den ersten Blick sieht die Restriktion mit wenig Kontrollen positiv aus.
In Schweden sind inzwischen erst 3175 Menschen nach einer Infektion mit dem neuartigen Coronavirus gestorben. Insgesamt wurden bisher 25.265 Infektionen nachgewiesen.
Schweden hat 10,23 Mio. Einwohner und Spanien 46,94 Millionen. Um einen aussagekräftigen Vergleich zu erstellen multiplizieren wir die schwedischen Werte mit dem Faktor 4,58.
Schweden hat danach 14.541 Verstorbene und Spanien 26.478 Verstorbene zu beklagen. Eindeutige Unterschiede, die für das schwedische Modell mit wenig Kontrollen spricht.
Vergleichen wir jedoch das Land in der skandinavischen Region mit dem Nachbarn Norwegen, dann sieht es wieder ganz anders aus.
Norwegen hat alle Grenzen geschlossen und strenge Quarantäne-Vorschriften erlassen. Hier gibt es bislang nur 218 Tode bei 8.069 Infizierten. Norwegen hat 5,3 Mio. Einwohner. Selbst wenn wir die Zahl der Infektionen und Verstorbenen verdoppeln, bleibt das offene schwedische Corona-Modell weit abgehängt auf dem letzten Platz.
Jedes Land und jede Region hat seine Besonderheiten. Ein direkter Vergleich bringt nur eng begrenzt mit dem Nachbarbezirk verlässliche Vergleichswerte. Ein skandinavisches Modell auf Spanien zu projizieren bringt kein belastbares Ergebnis.
Was in Spanien die Region Madrid oder Barcelona durchlebt, kann in 2.000 Kilometer Entfernung auch in Spanien, auf den Kanaren ganz anders aussehen. Solange die Flug- oder Schiffsverbindung auf die Kanaren gekappt bleibt, wird sich daran auch nicht viel ändern.
Keine Verbindung bedeutet natürlich auch keinen Tourismus. Es bleibt für die Politik eine Gratwanderung zur rechten Zeit auch die richtige Entscheidung zu treffen und die internationalen Grenzen wieder zu öffnen. Diese Zeit soll erst ganz am Ende aller sonstigen Maßnahmen dafür reif sein.
Leider haben die Regierungen in Spanien (wie auch in Frankreich und Italien) viel zu spät reagiert. Jetzt haben sie außer Verboten und harten Strafen wenig zu bieten, um von ihrem Versagen abzulenken. Sie versuchen es mit „mehr vom Gleichen“.
Natürlich war es notwendig, die Verbindungen zu den Inseln zu kappen, die Schließung der Festlandgrenzen kam dagegen in ganz Europa so spät, dass sie kaum noch einen Nutzen hatte, aber riesigen Schaden anrichtet. Trotzdem wird eisern darauf beharrt.
Schweden orientiert sich dagegen an evidenzbasierten Überlegungen, allerdings hat man zu spät an die Kranken und Alten gedacht. Immerhin geht die Todesrate inzwischen auch dort deutlich zurück.