Botanik schlägt Archäologie -
Die nach den Google Earth Satellitenaufnahmen vermutete archäologische Fundstelle auf dem Roque de Los Muchachos auf La Palma hat sich als botanisches Experimentierfeld entpuppt.
Auf den Luftaufnahmen waren systematisch angelegte breite Straßen und Wege zu erkennen. Wie ein ausgegrabenes Pompeji schien der Grundriss einer vergessenen Guanchen-Siedlung auf 2066 Meter (nach Google) plötzlich aufgetaucht zu sein.
Schnell stellte sich aber heraus, dass erstmals im Jahre 2008 diese Systematik und Wegführung auf den Google Satellitenbildern auftaucht. Dank der Mithilfe, einige Hinweise und Kommentare, kristallisierte sich schnell heraus, dass wahrscheinlich Botaniker und einige endemische Pflanzen für die merkwürdige Struktur verantwortlich sind.
Die archäologische Fundstelle direkt aufgesucht
Durch meine Ortsnähe war es kein großes Problem die Sache persönlich vor Ort unter die Lupe zu nehmen.
Rund 1,3 Kilometer vom nächsten CTA-Teleskop sollte die vermeintliche archäologische Fundstelle entfernt sein. Luftlinie sind aber keine Laufkilometer, das machte sich gleich in der sengenden Hitze bemerkbar.
Los ging es über groben Lavauntergrund (Foto), durch zwei Barrancos und nach 60 Minuten war der östliche Eckpunkt der Anlage erreicht.
Keine Spur von Straßen oder Wege oder einer archäologisch interessanten Siedlung.
Das hatte ich mir etwas spannender vorgestellt. Nur eine unendlich erscheinende Anzahl von Metallstäben (Armierungseisen) mit einem Spanndraht zog sich durch eine gerodete Schneise. Kein Drahtzaun – die verrosteten Drahtrollen lagen dutzendweise entlang der Schneise daneben. Irgendwie bekam ich den Eindruck, dass vor Jahren diese Baustelle fluchtartig geräumt wurde. Bestimmt ging das Geld aus oder die Subvention war zu Ende.
Hinter bzw. rechts dieser Zaungrenze nur grünes Buschwerk. Die Pflanzen verwehren jede Sicht auf einen Weg oder freien Platz. Auch ist eine Durchquerung dieses störrischen Gestrüpp fast unmöglich. Also den Pfosten weiter folgen und nach gefühlten 2 Kilometer Laufweg über eine lichte Stelle in das Terrain eindringen. Bis zu 10 Meter breite Avenidas (Allee), komplett gerodet, verlaufen wie Straßen quer durch die Landschaft. Gesäumt von endemischen Ginsterbüschen.
Dies mitten in der Pampa und mit viel sichtbarem Arbeitsaufwand errichtet, hat auch wieder etwas originelles an sich. Wer kommt nur auf eine solch verrückte Idee?
Welcher Sinn verbirgt sich hinter diesem Labyrinth?
Im April/ Mai mit weißen und gelben Blüten. Inzwischen Ende August sind nur noch einzelne Blüten zu finden. Der schwere Duft hängt aber immer noch in der Luft. Es ist vorwiegend der Denocarpus viscosus und Genista benehoavensis den ich antreffe.
Nur noch hier auf La Palma in der suprakanarischen Stufe oberhalb von 2000 Höhenmeter, sind diese Ginsterarten weltweit zu finden.
Eine schützenswerte Pflanze die teilweise noch extra mit einem ca. 80 cm hohen Drahtzaun eingefasst ist. Es stellt sich die Frage, vor wem die Pflanze geschützt werden soll?
Der Mensch kann jetzt problemlos auf den breiten frei geschlagenen Trassen flanieren. Durch das ehemals stachelige Unterkraut hätte sich hier niemand verirrt. Allerdings kommt in dieser abgelegenen Gegend auch heute kaum ein Wanderer vorbei.
Für die Wildziegen stellen die niedrigen Drahtgeflechte kein Hindernis dar. Bleiben nur die Kaninchen die in ihrer Fresslust durch den Zaun gebremst werden.
Bleibt noch zu klären, warum die Wege so breit sein müssen? Es sind keine natürlichen Lichtungen. Ursprünglich war alles dicht von Pflanzen überwuchert. Heute sind noch die abgesägten Wurzeln im Boden zu erkennen. Die einzige Erklärung die ich dafür finden kann, ist der Brandschutz. Es sind wahrscheinlich Brandschneisen die den Ginster schützen sollen.
Vor über 20 Jahren gab es hier einen mehrere Tage anhaltenden Wald- und Flächenbrand. Verkohlte Baumstümpfe am Rand des Areals zeigen noch die Spuren.
Es war damals eine Feuerwehrübung die außer Kontrolle geriet und sich zum Großbrand entwickelte. Mehrere technische Geräte (sahen aus wie Bienenwaben) der Universität Heidelberg, die am heutigen Standort des MAGIC I Teleskop aufgebaut waren, wurden ein Raub der Flammen. Seitdem hat die Feuerwehr auf dem Roque Übungsverbot.
Auch wenn es keine archäologische Fundstelle mit formidablen Felsgravuren oder alten Fundamenten ist, konnten doch die kosmischen Spuren auf der NASA Satellitenaufnahme enträtselt werden. Nur eine andere Perspektive aus dem All oder Luftraum und es können geheimnisvolle Strukturen und Zeichnungen entstehen. Auf der Erde sieht auch dieses Roque-Gebiet längst nicht so spektakulär aus.
… und es gab früher doch Bewohner
Kleine Hütten und Höhlen habe ich gefunden. Als kleiner Trost für die nicht vorhandenen Überreste einer Guanchensiedlung.
Keine Urzeit-Projekte, sondern Behausungen und Unterkünfte von Hirten. Bis vor 30 oder 40 Jahren, also noch vor dem Bau des Observatorium, war der Roque de los Muchachos Weidegebiet für Ziegen.
Die Hirten blieben mit ihren Herden über Wochen auf dem Berg. Von Frühjahr bis Herbst ertönten die Schellen der Leittiere. Genau dort, wo heute modernste Teleskope nach einem Signal aus dem All warten.
Tradition und Moderne im Wechsel der Zeit auf unserem Roque de los Muchachos.
Vielen Dank, Manfred für Ihre Recherche und Klärung.