Merkwürdige und skurrile Gebilde auf La Palma -
Bizarre und doch grazile Gebilde verändern eine Vulkanlandschaft. Wie Eiskristalle oder Korallen wirken auf den ersten Blick diese sonderbaren Formationen.
Bei +20° Umgebungstemperatur kann es aber kein gefrorenes Wasser sein. Nur im tiefen Minusbereich wachsen bei entsprechender Feuchtigkeit Eiskristalle in den Himmel.
Korallen als festsitzende Meerestiere brauchen Nährstoffen und Spurenelementen aus strömungsreichen Meerwasser und kommen ausschließlich im Meer und an den Küsten von La Palma vor. Die Fundstelle liegt aber auf 1400 Meter Höhe in den Bergen über dem Atlantik.
Ein Wunder der Natur oder nur eine kristalline Ausblühung in einer Vulkanlandschaft?
Es ist die Vulkanlandschaft des im Jahre 1949 ausgebrochenen Vulkan San Juan auf der Westseite von La Palma. Der erstarrte Lavastrom ist über eine weite Strecke von dieser weiß schimmernden Formation, einer Masse die auch an einen Schimmelpilz erinnert, überzogen.
Über Jahre beobachte und studiere ich das Ausbreiten dieses Teppich. Jährlich vergrößert sich diese Fläche immer weiter über die Schlackenhalde. Siehe hierzu auch meine Beiträge San Juan I und San Juan II. Es ist die einzige Vulkanlandschaft auf den Kanaren die ich kenne, die in dieser Art und über eine so große Fläche mit dieser kristallinen Schicht überzogen ist.
Vulkanlandschaft entwickelt eine seltene Pflanze
Es war nun einmal an Zeit näheres über dieses Phänomen in Erfahrung zu bringen. Der Griff mit der Hand in diese korallenartige Ausblühungen lässt nicht unbedingt auf eine Pflanze schließen. Eine feste fast starre Struktur die relativ stabil da steht. Auch wenn der erste Blick auf eine leicht zerbrechliche Formation hindeutet, kann selbst der Tritt eines Wanderstiefel dem Gebilde nicht allzu viel anhaben. Aber doch ist es eine Pflanze, ein Moos, eine Flechte oder ein Pilz.
Gewöhnlich werden Lavaströme von der Gattung Zackenmützenmoos als Pionierpflanze zuerst bevölkert. Viele Beispiele dazu gibt es hier, auf El Hierro oder auch Lanzarote. Über das Malpaisgebiet von Fuerteventura gibt es dazu eine botanische Abhandlung von Prof. Brandes von der Technischen Universität Braunschweig (PDF-Dokument).
Das Zackenmützenmoos (Racomitrium lanuginosum) sieht wohl so ähnlich aus, hat aber eine andere Wuchsform. Vergleichsmöglichkeiten habe ich hier in der Caldera und im Süden am Vulkan Teneguia. Es kommt bis in tiefe Lagen um die Meereshöhe vor.
Vielleicht sagt die Höhenlage etwas über diese Pflanzenschicht aus. Auf dem Foto (links) ist oben der Eruptionskrater Llano del Banco – einem der drei Eruptionspunkte des Vulkan San Juan – zusehen. Nur über die ersten 200 Höhenmeter und einer Fläche von einem Quadrat Kilometer ist dieser starke Bewuchs zu beobachten. Er beschränkt sich auf die Höhenlage von 1200 bis 1400 Höhenmeter. Hier herrscht ständig eine große Luftfeuchtigkeit und vermehrte Wasserdampfkondensation, abzulesen an der reichen Flechtenbildung in den benachbarten Kanarischen Kiefern.
Am ehesten gleicht der Lavabewuchs noch der Rentierflechte (Cladonia rangiferina) Foto: Verisimilus. Eine Flechtenart die eigentlich nur in den nördlichsten Gebieten von Kanada, Skandinavien und der alpinen Tundra vorkommt.
Sie dient dort als Nahrungsquelle für Rentiere und für medizinische Zwecke. Besonders die Wirkung der reichlich vorhandenen Usninsäure, wird als Antibiotikum oder zur UV-Absorption in Sonnenschutzmitteln eingesetzt. Auch für die Gestaltung von Landschaften bei Modelleisenbahnen sieht man häufig diese Flechte.
Völlig unklar ist, warum sie nur an diesem einzigen doch eng begrenzten Lavalauf auf La Palma vorkommt. Auf einer Insel mit subtropischem Klima und gar nicht ausgelegt auf nordische Gewächse.
Als Amateur Biologe ist es mir gänzlich nicht möglich ein exakte Flechtenbestimmung vorzunehmen. Vielleicht findet sich ein Fachmann der noch weitere Details dazu nennen kann.
Wer sich den bizarren Luvafluß des Vulkan San Juan einmal bei einem Besuch auf La Palma aus nächster Nähe Live ansehen möchte, kann an einer meiner Exkursionen teilnehmen. Auch in meinem neuen Buch „La Palma – Rätselhafte Insel“ ist diese Tour ausführlich beschrieben.
La Palma bleibt auch für mich nach 20 Jahren immer noch eine geheimnisvolle und rätselhafte Insel, auf der es fast täglich neues zu Entdecken und zu Erforschen gibt.
Es ist wahrscheinlich tatsächlich Stereocaulon vesuvianum, diese Unterart wächst vorzugsweise auf Basaltlava.
Wie ich heute in Erfahrung bringen konnte, soll es sich um „Stereocaulon vesuvianum“ handeln. Ein Abgleich mit Fotos scheint dies zu bestätigen.
Lieber Herr Betzwieser,
um die Gattung und evtl. die Art dieser Flechte zu bestimmen zu können benötigt man ein besseres Nahfoto aus mindestens 20 cm Fotografierabstand und weniger.
Beste Grüße
P. Gerstberger
Hallo Herr Gerstberger,
die erste obere Aufnahme im Beitrag (durch Klick vergrößern) ist aus ca. 40 cm aufgenommen. Wahrscheinlich aber noch mit zu wenigen Details.
Werde die nächsten Wochen einige Makroaufnahmen anfertigen.
Herzliche Grüße aus La Palma
Manfred Betzwieser